Machen Politiker wirklich so viel falsch, Frau Khom?
Beschimpft zu werden, gehört zum Alltag von Politikern.
Was sagen diese dazu? Ein Gespräch mit der Zweiten Landtagspräsidentin und Chefin der VP Frauen, Manuela Khom.
Entscheidungen treffen und nicht ständig Buhmann sein zu wollen: Das würde sich die Zweite Landtagspräsidentin Manuela Khom in der Politik wünschen. Ein Gespräch über gutes Benehmen, Rückbesinnung auf das, was wir haben, aber nicht immer sehen, und die neue Slimfit-Politikergeneration.
Die Welt wird regiert von karrierebewussten „30+“-Männern in Slimfit-Anzügen. Haben diese Frauen 50+ überhaupt im Blick?
Manuela Khom: Ich glaube, mehr als die alten. Für diese neue Generation ist das gleichwertige Miteinander selbstverständlicher. Und Slimfit ist nun mal modern.
Fakt ist: Wir wählen diese Männer. Mir selbst wurde schon vorgeworfen, ich sei zu alt für die Politik und solle zurücktreten. Alter wird in unserer Gesellschaft ausgesperrt, alle wollen wir jung, schlank und faltenlos sein. Das führt auch dazu, dass wir in der Politik immer jüngere Vertreter haben wollen. Das Bewährte ist nicht mehr so gefragt.
Warum eigentlich? Uns geht’s doch gut. Letztlich leben wir im viertreichsten
Land der Erde.
Wenn ich das beantworten könnte, würde ich nicht hier sitzen. Ich verstehe es auch nicht, ja, es geht uns gut. Trotzdem sind wir unzufrieden. Zuletzt wurde die Unzufriedenheit auch von der Regierung befeuert.
Wo ist das Besinnen auf das, was wir haben?
Das stimmt, es fehlt in Summe.
Ist das typisch österreichisch?
Das ist typisch für eine Gesellschaft, der es zu gut geht, die satt ist.
Was müsste passieren, damit es zu einer Rückbesinnung kommt?
Das möge bitte nicht passieren. Eine Besinnung wäre dann denkbar, wenn es nicht mehr da wäre. Es ist wie bei der Gesundheit: Sie ist so lange selbstverständlich, wie man sie hat. Menschen haben eher Angst davor, dass das, was sie haben, weniger wird oder verschwindet. Aus diesem Grund will man immer mehr und will das auch absichern. Was ja grundsätzlich nicht schlecht ist, das Streben nach mehr bedeutet ja auch Fortschritt und hat uns vorangetrieben.
Es wird viel geklagt, auch über Politiker, im Land zeigte sich das zuletzt beim Thema Leitspital. Wie treffen Politiker ihre Entscheidungen?
Man schaut zunächst im Netzwerk, bei mir sind das die Frauen, und kontaktiert Menschen vor Ort. Man kennt vielleicht Ärzte, bei denen man ebenfalls Meinungen einholt. Wichtiger sind die Zahlen, Wahrheit und Wahrnehmung sind zwei verschiedene paar Schuhe, das habe ich bei uns bei der Stolzalpe erlebt. Letztlich fügt man alles zusammen und schaut, was die beste Lösung wäre. Wobei gute Lösungen in der Politik immer Kompromisse sind. Während in der Wirtschaft Zahlen entscheiden, entscheidet in der Politik der Bauch. Man kann hier auch falsch liegen. Ich selbst habe Entscheidungen getroffen, die ich damals gut fand, heute aber anders entscheiden würde.
Wozu braucht es bei Entscheidungen wie der Gesundheitsversorgung überhaupt Parteien? Wären da überparteiliche Expertengremien nicht die vernünftigeren?
Man braucht Parteien, um verschiedene Zugänge abzubilden. Man ist letztlich in einer Partei, weil man in dieser Partei seine Grundsatzwerte abgebildet sieht. Auch ich bin nicht mit allem, was in der ÖVP passiert, zufrieden, aber in Summe passt es für mich. Das ist nun einmal unsere Demokratie. Und es liegt nun einmal in der Natur der Dinge, dass die Opposition sich zu Wort meldet, die etwas anders gelöst haben möchte. Persönlich bin ich ja ein Fan unserer Zukunftspartnerschaft. Wir versuchen, aus zwei differenzierten Zugängen einen gemeinsamen Weg zu finden und den auch zu gehen. Das war nicht immer so.
Wie würden Sie als Politikerin gern wahrgenommen werden?
Dass ich einen Job mache wie viele andere Menschen auch und dass ich keine Person bin, die fürs Nichtstun viel Geld bekommt. Wenn wir Landtagssitzung haben, stehe ich um halb fünf auf, um von Murau nach Graz zu fahren, wir bereiten uns vor und es kommt vor, dass um 22 Uhr die Sitzung noch immer nicht zu Ende ist. Fragen Sie mich bitte nicht, was ich am Samstag und am Sonntag mache!
Sie gehen vermutlich von einer Veranstaltung zur nächsten.
Ja, und auch da kommt es vor, dass aus der letzten Reihe ein Zuruf kommt, von wegen ich würde eh nur zum Gratisessen kommen. Wenn ich etwa einen Ehrenschutz übernehme, bin ich bei der Veranstaltung, um den Menschen meine Wertschätzung entgegenzubringen. Ich hätte gern, dass die Bürgerinnen
und Bürger sehen, dass wir unseren Job machen, ob er gefällt oder nicht. Und dass es nicht immer einfach ist, Entscheidungen zu treffen. Wir fragen uns selbst oft und eindringlich, ob unsere Entscheidung richtig war. Nur weiß man das im Vorhinein nicht.
Mir kommt vor, Politikern werden hierbei nicht wirklich Gefühle zugestanden.
Ja, leider, wir gelten als Drüberfahrer, die für sich selbst entscheiden.
Können Sie sich an eine Entscheidung erinnern, die Ihnen heute noch Leid tut, oder eine, bei der Sie nicht schlafen konnten?
Schlafen kann ich ganz oft nicht (lacht). Aber ich habe gelernt, Entscheidungen
zu treffen und dazu zu stehen. Wenn sie sich als falsch herausstellen, muss man schauen, wie man sie noch ändern kann. Mit einem Koalitionspartner gemeinsam Entscheidungen zu treffen, hat noch eine weitere Dimension, ich vergleiche das gern mit dem Hausbauen: Wenn sich die Partner die Frage stellen, mit welcher Farbe der Vorraum ausgemalt werden soll, heißt es gleich: absolute Uneinigkeit. Wenn ich sage, es ist mir egal, wird in der Zeitung stehen: wurde über den Tisch gezogen. Letztlich streicht man den Vorraum grün, ob es gefällt oder nicht, man hat zumindest keine schlechte Nachrede. Ich bedauere, dass es früher mehr Raum für Entscheidungen gegeben hat, heute heißt es gleich: Sie sind zerstritten. Doch es ist wie sonst im Leben: Auf der Suche nach einem gemeinsamen Ergebnis ist man selten gleich einer Meinung. Auf der Suche nach einem Ergebnis ist man selten einer Meinung.
Manuela Khom
„Politikerin sein bedeutet, viel einstecken zu müssen.“
Text: Daniela Müller (c)Fotos Thomas Luef
Interview „Die Steirerin“